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Auf der Berliner Steinewahn 2021: LEGO-Ausstellung im Seeambiente

Inhaltsverzeichnis

Das Wetter hätte nicht kontrastreicher sein können. Eine graue Suppe hängt an diesem Samstagvormittag über der Hauptstadt, dicke, bauschige Wolken, aus denen es immer mal wieder regnet. Wirklich grausiges Wetter. Dann doch lieber schnell hinein in das Tegeler Ausstellungsgelände, wo, kaum man ist man drin, einen gleich das komplette Gegenteil erwartet: Ein buntes Stecksteinparadies auf 1400 Quadratmetern. Die zehnte Berliner Steinewahn – an diesem verregneten Wochenende ist sie wie eine kleine Insel des Frohsinns inmitten der grauen Wolkenwand.

Nett hat es sich der Verein Berliner Steinkultur hier eingerichtet. In einer Festhalle am Ufer des Tegeler Sees, wo für gewöhnlich Menschen schwatzend die Promenade langlaufen, Minigolf spielen oder sich in einem der Touristenschiffe bis zur Havel fahren lassen, treffen sich nun LEGO-Enthusiasten und begutachten staunend die kleinen und großen Klötzchenbauwerke der Vereinsmitglieder.

Ausstellung klingt ja dabei zunächst immer irgendwie nach elitärem Kunsttreff. An kleinen Tischchen mit den Kuratoren plauschen, ein bisschen Sekt trinken, naserümpfend Bilder betrachten und insgeheim denken, dass man das selbst besser kann. Bei einer LEGO-Ausstellung ist das natürlich ein wenig anders. Hier hat alles eher etwas von „Guck mal, was ich Schönes gebaut habe!“. Nicht ein Künstler steht hier im Vordergrund, sondern eine ganze Reihe von Fans, die unzählige Stunden in ihre Werke wortwörtlich gesteckt haben und zeigen wollen, was man mit diesen kleinen Kunststoffsteinchen doch alles anstellen kann. Irgendwo zwischen Abenteuerspielplatz für Erwachsene und Bauwettbewerb – da könnte man die Berliner Steinewahn am besten einordnen.

LEGO im Diskosaal

Tisch für Tisch mit LEGO-Bauwerken vollgestellt, erinnert im großen Tanzsaal so gar nichts mehr daran, dass sich hier für gewöhnlich Paare das Ja-Wort geben, Tagungen stattfinden und frisch gebackene Abiturienten sich zur Besinnungslosigkeit betrinken. Na ja, höchstens vielleicht die Disco-Kugel, die glitzernd an der Decke hängt. Und so ein bisschen hat es dieses Mal, unter diesen noch immer außergewöhnlichen Bedingungen, tatsächlich etwas von Disco-Besuch: Am Eingang beim Türsteher anstellen, brav den 3G-Nachweis vorzeigen und anschließend Stempel auf die Hand. Um dann im gut besuchten Saal anständig zwischen den Tischen zu manövrieren, nichts umzustoßen und schön Abstand zu halten (allgemeine Regel in Berlin: mindestens drei Corgis müssen Platz haben), muss man sich tatsächlich ein wenig akrobatisch-tanzend verrenken.

Mit Blick auf die Besucher wäre es allerdings wohl eher angebracht, von Kinder-Disco zu sprechen. Denn ein solches LEGO-Spektakel lockt selbstverständlich auch die Kleinsten und so wird man die ganze Ausstellung immer wieder Sätze hören wie „BOAH, ein X-Wing!“, „Stell dich für ein Foto mit deiner Schwester her!“ und der Klassiker: „Bloß nichts anfassen, Freundchen!“. Wobei man durchaus nachvollziehen kann, dass Letzteres einzuhalten für Kleinkinder nicht ganz so einfach ist. Die liebsten Spielzeugsteine so eingekerkert hinter Absperrungen zu sehen und in fast schon andächtiger Ehrfurcht ausgestellt, muss ein ungewöhnlicher Anblick sein.

Berliner Steinwahn 2021: Faszinierende Fanbauten

Wer sich auf der zehnten Berliner Steinewahn von einem Tisch zum nächsten hangelt, der bekommt so ziemlich alles geboten, was die kleinen Klötzchen aus Dänemark so hergeben. Da sind zum einen ganz kleine Bauwerke, Raumschiffe, Autos, Mini-Dioramen, auch Sozialkritisches: Ein kleiner Einkaufsladen, in dem Minifiguren sich scharenweise mit Toilettenpapier eindecken, bringt einen schon zum Schmunzeln.

Dann wären da aber auch große Bauten, also so richtig große: Riesige Städte, Häfen, Landschaften. LEGO-Stein gewordene Wimmelbilder, die vor lustigen kleinen Szenen nur strotzen und die man sich stundenlang ansehen und immer noch etwas entdecken könnte. Geht nur leider schlecht. Die nächsten wollen auch mal schauen. Man will ja den Verkehr nicht aufhalten.

Zum Sound dieser Ausstellung gehört auch ein beständiges, leises Rattern: Ratt-ratt-ratt. Es sind Züge, die ihre Bahnen durch die Miniaturstädte drehen, auf Monorail-Schienen über den Dächern sausen, eine S-Bahn sieht man, eine alte Dampflok, einen Passagierzug.

Und was auch dabei ist: Star Wars. Und davon viel. Auf einer meterlangen Tischreihe sind Fahrzeuge und Raumschiffe aus der Sternenkrieger-Saga aufgestellt, duellieren sich Klone in kleinen und großen Dioramen mit Droiden, heben X-Wings in die Lüfte ab. Sogar eine riesige Nachbildung der Wüstenstadt Mos Eisley gibt es hier, natürlich mit lauter skurrilen Aliens, aber auch mit Indiana Jones, der auf Abenteuersuche geht, und Sheldon Cooper, der sich in einem Quartier eingerichtet hat.

Man sieht Historisches, Popkulturelles, ja, auch Skurriles: In einer großen futuristischen Stadt trifft sich so ziemlich alles, was LEGO mal an Weltraum-Dingen herausgebracht hat. Irgendwie erinnert es an Star Wars, da wären auch Pod-Racer und X-Wings zu sehen, nur eben mit Classic Space-Logos und Marsianern. Humor hat der Designer jedoch allemal: Der in dem Bauwerk versteckte Kampf der Star-Wars-Monstren Rancor und Acklay ist der wohl spektakulärste Kampf Bestie gegen Bestie seit Godzilla und King Kong sich auf der Leinwand die Birne eingeschlagen haben.

Immer wieder grüßen überdimensionale Minifiguren, Riesenfiguren, wenn man so will: Feuerwehrleute, Sanitäter, aber auch Spongebob Schwammkopf und Patrick der Seestern sind mit von der Partie.

Und was wäre eine Berliner Ausstellung, wenn nicht zumindest auch ein paar Noppensteinversionen der bekannten Sehenswürdigkeiten zwischendurch aufblitzen? AFOLs dieser Welt, schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt auch aus LEGO-Steinen gernhabt: Ein Mini-Reichstag hat sich zwischen ein paar Architektur-Modellen versteckt und in einem Diorama winkt Goldelse von der Spitze der Siegessäule, der Blick stramm gen Brandenburger Tor gerichtet. Ein Stück Mauer zieht sich entlang einer Straße und der Fernsehturm präsentiert sich im gänzlich neuen Gewand: Im Classic-Space-Blau und -Grau gehalten, umrundet ein rotes Miniaturraumschiff die Aussichtskugel.

Reichlich Souvenire

Irgendwann fühlt man sich dann auch so ein wenig wie bei der Fernsehshow „LEGO Masters“, tigert von Bauwerk zu Bauwerk, begutachtet Bautechniken und Design kritisch und fängt an zu fachsimpeln, welches Noppenstein-Kunstwerk einen am besten überzeugt hat. Apropos: LEGO Masters-Juror René Hoffmeister sollte Gerüchten zufolge auch zugegen sein. Schaulaufen der AFOL-Prominenz also, Kamera und Papier bereit halten für ein Autogramm. Stetiger Blick durch die Besucherreihen. Ist er das? Nein, zu lange Haare. Das? Nein, auch nicht. Das Ausschauhalten war am Ende vergeblich: Den Brickmaster habe ich nicht zu Gesicht bekommen. (Er war an beiden Tagen kurz vor Ort.)

Zu einer Ausstellung gehört dann irgendwie auch dazu, ein kleines Andenken mitzunehmen. Und dazu hatte man bei der Berliner Steinewahn reichlich Gelegenheit: Gleich drei LEGO-Händler boten Einzelteile, Minifiguren, Sets und Zubehör an. Die Leute drängeln sich, wühlen in Kisten munter nach seltenen Minifiguren, durchstöbern Polybags und bestaunen alte Klassiker, die sie als Kind selbst mal hatten.

Doch in Sachen Andenken ging es auch ausgefallener zu: Auf einem LEGO-Schlüsselanhänger konnte man sich seinen Namen eingravieren lassen. Da ging mein Griff doch glatt in die Hosentasche, wo immer noch ein roter 2×4-Stein an meinem Schlüssel hängt, den ich mir vor zwei Jahren gravieren ließ. Tolle Sache. Jetzt überlege ich, wem ich mit so einem Stein noch eine Freude machen könnte. Mir fällt nur niemand ein. Schade, einen zweiten „Arnold“-Stein brauche ich nicht.

LEGO-Liebe vorgelebt

Wenn man zwischen den Bauten daherschlendert, dann ist das immer auch eine kleine Tour durch die Gedanken und Gefühlswelten der Designer. Man sieht, was die Leute beschäftigt, ihre Bauwerke, sie sind nichts anderes als kleine Kaleidoskope ihrer Persönlichkeiten. Bau mir was und ich sage dir, wer du bist. Dazu reicht schon ein winziges Bauwerk wie die Nachbildung einer Lieblingsfilmfigur, aber es geht natürlich auch größer, viel größer, gar gigantisch: Eine überdimensionale Blacktron-Basis ist eine schwarz-neongrüne Hommage an eine Kindheit in den Achtzigern.

Es geht humorvoll, wenn der LEGO-Todesstern plötzlich von Disney-Figuren bevölkert wird, dystopisch, wenn eine Roboter-Armee eine friedliche Welt unterjocht und nostalgisch, wenn Classic Space auf Arcade trifft. Vergangenes, Aktuelles, Lieblingsorte, Sehnsüchte, Träume, alles erweckt durch kleine Kunststoffsteinchen. Die zehnte Berliner Steinewahn – sie ist ein eindrucksvolles Panorama einer ganz besonderen Leidenschaft. Nur: Bitte nichts anfassen, versteht sich.

Weitere Impressionen der Steinewahn 2021

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Kommentare

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9 Antworten

  1. Der Tegler See ist gar kein See, sondern nur ne Havelbucht. Weshalb es ne kurze Strecke für nen Schiff wäre. Blacktron II kam erst 1991 raus, was es jetzt zu keinen großen Highlight meiner Kindheit der 1980er machte. Aber jeder wie er will..

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    1. Einige freuen sich über einen liebevoll geschriebenen Bericht mit vielen schönen Bildern, kleinen Anekdoten und auflockernden Formulierungen, andere hingegen spielen lieber “Besserwissen für Anfänger”. Aber jeder wie er will..

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  2. Danke für diesen Bericht! Da geht mir das Herz auf. Endlich endlich geht es wieder los! (Also lasst euch bitte ALLE impfen, falls noch nicht… damit auch die AFOLs in spe a.k.a. Kids und Leute ohne Impfchance das mal wieder mit guten Gefühl live erleben können).

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  3. Danke für den Bericht, es war wirklich eine schöne Veranstaltung! Professionell, aber trotzdem herzlich und familiär organisiert und durchgeführt. Meine Töchter haben sich auch sehr über ihre erste Lego-Ausstellung gefreut, inklusive einem Foto mit dem Brickmaster himself

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