Ich saß gerade an dem Review für die neue LEGO Creator Expert Eckgarage (10264), als in unserer Facebook-Gruppe die ersten Meldungen über die Aktion von LEGO gegen den Held der Steine aufkamen. Die erste Sichtung des Videos ließ mich mit offenem Mund zurück – und nicht nur mich. Bereits kurze Zeit nach der Online-Stellung fanden sich die ersten Kommentare auf dem Facebook-Account von LEGO Deutschland, die eine Sache erkennen ließen: LEGO hat mit dieser in meinen Augen völlig unbedachten Aktion dafür gesorgt, dass das Verhältnis zu vielen Fans an einem neuen Tiefpunkt angekommen ist. Mittlerweile gibt es mehr als 1.000 eindeutige Kommentare dazu auf der LEGO Facebook-Seite.
Dabei stellt sich die Frage, warum Unternehmen sich zu solchen Taten hinreißen lassen? Sitzen in der PR- und Rechtsabteilung wirklich Menschen, die nicht absehen können, was ihr Handeln für Folgen haben kann? Oder waren die Juristen nur etwas zu voreilig mit dem Schreiben an den Held der Steine? Der Vorwurf: Sein YouTube-Kanal bzw. sein LEGO Lädchen im Herzen Frankfurts könnte mit dem Markenauftritt des dänischen Spielwarenherstellers verwechselt werden.
Sind wir Fans und Kunden wirklich so dumm?
Was mich dabei besonders ärgert: In meinen Augen werden hier die Fans und Kunden dafür missbraucht, um einen anscheinend missliebigen Händler verstummen zu lassen. Für wie dumm hält uns die Rechtsabteilung von LEGO Deutschland eigentlich? Glaubt diese wirklich, dass wir nicht alleine von der Aufmachung, aber spätestens aus dem Kontext heraus feststellen können, dass eben dort ein Händler oder Fan und nicht LEGO spricht?
Eine weitere Frage, welche sich mir stellt: Warum haben solch ein Schreiben nicht die Betreiber der vielen anderen YouTube-Kanäle mit LEGO Inhalten bekommen? Oder weiter gefragt: Muss in Zukunft jeder, der nicht positiv oder kritisch über den bekanntesten Hersteller von Klemmbausteinen berichtet, Angst haben, von deren Rechtsabteilung kontaktiert zu werden?
Kritik unerwünscht?
Der Held der Steine mag in manchen Dingen überspitzen, ja manchmal sogar ein wenig über das Ziel hinaus schießen – aber er hat im Kern verdammt recht. Ich weiß es, LEGO weiß es. Und anstatt mal ein wenig auf ihn (und viele andere Fans, die ähnliche Meinungen vertreten) zu hören, spielt das Unternehmen das kleine schmollende Kind, welches nach dem großen Bruder ruft, in diesem Fall die Rechtsabteilung.
Wie spaßentfremdet LEGO manchmal reagiert, konnte gut im Mai 2017 beobachtet werden, als die Computerzeitschrift c’t den Porsche 911 GT3 RS in einen ADAC-Crash-Test schickte und neben dem vorher veröffentlichten Video in der Ausgabe 12/2017 ausführlich über den Test und die Vorgehensweise berichtete.
Diese Aktion wurde damals nicht nur von den Lesern, sondern auch von vielen Fans als das angenommen, was sie war: Eine nicht ganz ernst zu nehmende, aber dennoch interessante Sache mit dennoch sehr positiver Resonanz. Spaßbremse war hier – LEGO. Ein PR-Manager ließ sich in gleicher Ausgabe zu dem Kommentar hinreißen, das „dieser Funtest“ überhaupt keine Grundlage bieten würde, die „hohen Qualitäts-, Sicherheits- und Produktions-Standards in irgendeiner Weise zu kritisieren“. Nur war von Kritik im ganzen Bericht kein einziges mal etwas zu lesen. Im Gegenteil: Dem Modell wurde eine sehr hohe Fertigungsqualität und Stabilität bescheinigt. Der Kommentar zog anschließend ein entsprechendes Echo auf der Facebook-Seite von LEGO nach sich.
Bitte keine Unterstellungen!
Aber zurück zum Held der Steine aus Frankfurt: Anstatt seine Kritik aufzunehmen, versucht der Spielwarenhersteller nun offensichtlich ihm das weitere Geschäftsleben schwer zu machen. Und bitte LEGO hör auf, uns dafür vor den Karren zu spannen! Ich fühle mich jedenfalls beleidigt, wenn mir jemand einfach so unterstellt, dass ich den vermeintlichen Unterschied zwischen einem Weltunternehmen und einem lokalen Händler (wenn auch mit hoher Online-Reichweite) nicht erkennen kann. Und dies sollte in meinen Augen jeder Fan ebenfalls persönlich nehmen.
Dass seine Aussagen das widerspiegeln, was ihm die Kunden in seinem Laden vielleicht erzählen, scheint den PR-Strategen anscheinend noch nicht in den Sinn gekommen zu sein. Aber anstatt so jemanden mit ins Boot zu holen, wird er mit juristischen Mitteln bekämpft. Alleine daran lässt sich gut erkennen, wie weit sich die LEGO Gruppe von seiner Basis, den Fans, entfernt hat. Sie haben schließlich vor 15 Jahren dem Unternehmen sprichwörtlich den Hintern gerettet, jedenfalls wird das bei Fan-Events in Billund immer wieder gerne betont.
Ich sag’s mal direkt
Darüber hinaus scheint LEGO immer noch nicht ganz verstanden zu haben, wohin ein Unternehmen die Ignoranz gegenüber den ganzen kleinen Händlern führen kann. Auch scheint LEGO immer noch nicht zu erkennen, wohin die „Kooperationen“ mit diversen großen Ketten geführt hat: ToysRUs wird abgewickelt, Kaufhof schlingert ebenfalls. Mal davon abgesehen, dass ich bei erst genanntem bereits Mitte Dezember vor halbleeren LEGO Regalen stand. Wenn Oma und Opa ein Geschenk für ihren Enkel kaufen wollen, sind sie in solchen Läden vor allem eines: Verlassen. Dem Mitarbeiter dürfte es in den meisten Fällen egal sein, ob er dem Kunden LEGO, Playmobil oder sonst etwas verkauft – Hauptsache er kauft überhaupt. Man kann den Mitarbeitern vor Ort nicht einmal einen Vorwurf machen – kein Kunde kann für den dort gezahlten Lohn eine wirkliche Fachberatung erwarten.
Der kleine Händler von nebenan kann hier eine ganz andere Beratung liefern. Nur der wird von den Firmenstrategen ja zunehmenst ignoriert. Da können noch so sehr Nebenschauplätze aufgemacht werden, in denen den Plagiaten die Schuld an den sinkenden Verkaufszahlen gegeben wird – die Realität sieht anders aus. Und auch wenn ich mich wiederhole: Ich weiß es, LEGO weiß es.
Daher einmal direkt an die Verantwortlichen des ganzen Debakels: Holt den Helden schnellstens wieder ins Boot, dann kommt ihr aus diesem Shitstorm noch einigermaßen mit einem blauen Auge davon, ansonsten werdet ihr sehr viele Fans verlieren. Dass all die Neukunden diese Kaufkraft nicht auffangen können, solltet ihr mittlerweile ebenfalls begriffen haben.
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